Schön, dass Sie da sind!
Meine Augenärztin stammt vermutlich aus der Ukraine. Ihr Akzent im Deutschen klingt slawisch – möglicherweise aus dem Ukrainischen, Russischen oder Bulgarischen, aber eher nicht aus dem Polnischen oder Tschechischen. Woher sie genau kommt, habe ich nie gefragt. Es spielt für mich keine Rolle. Wichtig ist mir, dass sie eine gute Ärztin ist.
Bis zu meiner Pensionierung im vergangenen Frühjahr habe ich über acht Jahre hinweg verschiedene Augenärzte in Hessen und Bayern besucht. Ein guter Augenarzt wird mir raten, von einer bestimmten Laserbehandlung abzusehen, wenn mein Gewebe dafür ungeeignet ist. In manchen Klinikketten wird Ärzten jedoch nahegelegt, diese Behandlung trotzdem anzubieten – „dem Patienten entsteht ja kein Schaden, auch wenn der Eingriff nichts bringt“. In meiner Zeit habe ich nicht nur deutsche Ärzte kennengelernt, sondern auch einen bulgarischen und einen syrischen. Beide haben sehr gründlich untersucht und mir stets umfassende Erklärungen zu den Ergebnissen gegeben. Ich teste die Kompetenz meiner Ärzte manchmal, indem ich nach dieser Laserbehandlung frage. Beide ausländischen Ärzte konnten mir genau erklären, warum der Eingriff in meinem Fall nicht erfolgreich wäre.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil ich in Altenburg erstmals erlebt habe, wie eine Patientin eine Ärztin mit slawischem Akzent ablehnte. Sie sagte: „Nein, von dieser Ärztin will ich mich nicht behandeln lassen, ich werde sie nicht verstehen.“ Das geschah in einer Hausarztpraxis, in der meine Frau in Behandlung ist. Ich möchte hier keine ideologische Diskussion führen und keineswegs behaupten, dass ausländische Ärzte generell besser sind. Aber ich habe persönlich gute Erfahrungen gemacht. Es schmerzt mich zu sehen, dass viele Menschen im Altenburger Land Ärzte mit Migrationshintergrund ablehnen.
Viele deutsche Ärzte ziehen in die Schweiz, weil sie dort deutlich besser verdienen. Gleichzeitig gibt es seit über einem Jahrzehnt zu wenige Absolventen in der Medizin, während viele Mediziner in den Ruhestand gehen. Dass Deutschland auf ausländische Ärzte angewiesen ist, liegt auf der Hand.
Als „Hochlohnland“ ist es nicht überraschend, dass Ärzte aus Ländern wie Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland kommen. Es ist zudem erfreulich, dass auch unter Geflüchteten aus der Ukraine oder Syrien qualifizierte Mediziner sind.
Meine Augenärztin ist eindeutig kompetent und spricht sehr gut Deutsch. Bisher hatte ich nicht vor, sie nach ihrer Herkunft zu fragen. Doch nach dem Schreiben dieses Artikels könnte ich es vielleicht tun. Egal, ob die Antwort „Russland“, „Serbien“ oder ein anderes Land lautet – für mich zählt nur eines: „Schön, dass Sie da sind.“
Ein Gastbeitrag von
Udo Müller
Ein kurzer Exkurs in die Statistik
von Susann Seifert
Die Erfahrungen unseres Gastautors Udo Müller mit Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland sind kein Einzelfall. Immer mehr Medizinerinnen und Mediziner aus anderen Ländern arbeiten in Deutschland und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung. Doch wie sieht es insgesamt aus? Woher kommen die meisten ausländischen Ärztinnen und Ärzte, und welche Rolle spielen sie in unserem Gesundheitssystem?
Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland: Woher kommen sie und warum sind sie so wichtig?
In Deutschland arbeiten immer mehr Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland. Das liegt vor allem daran, dass wir in vielen Regionen zu wenige Ärztinnen und Ärzte haben. Doch aus welchen Ländern kommen diese Mediziner? Und wie viele sind es insgesamt?
Laut der Bundesärztekammer waren im Dezember 2023 etwa 64.000 ausländische Ärztinnen und Ärzte in Deutschland tätig. Das ist etwa jeder siebte Arzt von insgesamt 428.000. Im Jahr 2023 allein kamen fast 4.000 neue Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland hinzu. Diese Entwicklung hilft unserem Gesundheitssystem sehr, denn ohne diese Fachkräfte hätten viele Krankenhäuser und Praxen große Probleme, genug Personal zu finden.
Woher kommen die Ärztinnen und Ärzte?
Die meisten Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland kommen aus anderen europäischen Ländern. Rund 37.700 von ihnen stammen aus Europa, darunter etwa 27.800 aus den EU-Ländern. 2023 kamen über 1.100 Ärztinnen und Ärzte neu aus der EU nach Deutschland, etwas weniger als im Jahr davor.
Besonders viele Medizinerinnen und Mediziner kommen aus Syrien. Dort arbeiten über 5.700 Menschen, die in Deutschland als Ärztinnen und Ärzte tätig sind. Auf dem zweiten Platz liegt Rumänien mit über 4.200 Ärztinnen und Ärzten. Auch aus Ländern wie der Russischen Föderation, Österreich, Griechenland, der Türkei und der Ukraine kommen viele Fachkräfte zu uns.
Warum brauchen wir Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland?
Viele deutsche Ärztinnen und Ärzte wandern in Länder wie die Schweiz aus, wo sie mehr verdienen können, oder gehen in den Ruhestand. Das führt dazu, dass wir in Deutschland auf Ärztinnen und Ärzte aus anderen Ländern angewiesen sind. Sie sorgen dafür, dass die medizinische Versorgung in vielen Regionen sichergestellt wird.
Diese internationalen Fachkräfte sind daher eine wichtige Stütze für unser Gesundheitssystem und helfen dabei, dass wir alle weiterhin gut versorgt werden können.
Quelle: Ärztestatistik der Bundesärztekammer (Dezember 2023)
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